Familie, Partner, Kinderwunsch

1. Familie und ich / Rollenbild und Selbstkonzept

Obwohl in der Verfassung die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben ist, ist die gesellschaftliche Realität immer noch eine andere: Frauen sind nicht nur in der Führungsebene unterrepräsentiert, sondern verdienen für vergleichbare Arbeit auch weniger. Oft schon sehr früh werden Mädchen auf typisch weibliche Verhaltensweisen und damit Aufgaben festgelegt, Jungen auf das männliche Pendant. Auch die Spielzeug – bzw. Bekleidungsindustrie bedient allzu oft das Rollenbild von „Prinzessin“ und „Macher“. Diese Rollenerwartungen haben eine Auswirkung auf das Selbstkonzept der heranwachsenden Kinder. Auswirkungen auf das Selbstkonzept hat auch das in den Medien propagierte Schönheitsideal.

2. Partnerschaft und Partnersuche

Partnerschaft wird in unserer offenen Gesellschaft in verschiedensten Konstellationen gelebt. Die Partnersuche gestaltet sich in der modernen Welt nicht unbedingt einfacher als früher, wo man sich noch auf einen allgemein gültigen Verhaltenskodex verlassen konnte. Früher wurde zum Beispiel in bürgerlichen Kreisen der Partner oft aus dem Bekanntenkreis der Eltern rekrutiert und die jungen Menschen bei einem ersten Ball offiziell in die Gesellschaft eingeführt. Diese Initiationsrituale sind in den verschiedenen Kulturen höchst unterschiedlich. Heutzutage ist das Kennenlernen oft dem Zufall überlassen, obwohl es sowohl in der analogen als auch digitalen Welt „communities“ gibt, die die Partnersuche gezielt ermöglichen (Speed-Dating…). Unter dem Aspekt der #MeToo-Debatte ist es auch schwierig, eine Person unverbindlich anzusprechen. Berücksichtigt werden muss, dass die Regeln zur Partnersuche in den verschiedenen Kulturen höchst unterschiedlich sind.

3. Kinderwunsch

Verhütungsmittel sind leicht verfügbar und bei richtiger Anwendung meist zuverlässig. Damit ist eine Familienplanung im Spannungsfeld Verhütung und unterstützende Reproduktionsmedizin möglich. Trotzdem sind Teenagerschwangerschaften nicht selten und stellen die jungen Eltern und deren Familien vor diverse Probleme.

Was sind soziale personale Kompetenzen?

1. Eigene Gefühle entwickeln und anhand von Mimik und Gestik erkennen

Als Basis eines gewaltfreien Miteinanders sind eine aufmerksame Wahrnehmung der Gefühle des Gegenübers und damit verbunden eine angemessene Reaktion darauf. Deshalb ist es wichtig, Kinder schon möglichst früh für mimische Kommunikation zu sensibilisieren. So kann erreicht werden, dass Konfliktsituationen, auch in einer Partnerschaft, erkannt und in der Folge vermieden werden. Nur wer sich seiner Gefühle bewusst ist und sie deuten kann, kann auch deren Ursachen interpretieren. Ein rein intuitiver Umgang mit Gefühlen ist nicht immer „sozialverträglich“

2. Wahrung der eigenen Grenzen und der des Gegenübers

Jeder Mensch besitzt seine persönlichen, individuellen Grenzen, die sich im Laufe seines Lebens entwickelt haben und deshalb sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Daher muss auch jeder Mensch lernen, die Grenzen seines Gegenübers zu respektieren. So kann beispielsweise auch eine tröstende gemeinte Umarmung für eine andere Person grenzverletzend wirken. Deshalb ist es erforderlich, die Gefühle des Anderen zu erkennen.

3. Unangemessene Nähe und Selbstbehauptungstechniken

Im Laufe der Schulzeit soll jeder Jugendlicher sich mit verschiedenen Techniken der Selbstbehauptung vertraut machen und lernen, diese Verhaltenselemente verantwortungsbewusst und deeskalierend einzusetzen.

4. Selbstwertschätzung des Ichs und des eigenen Körpers

Menschen, die ein positives Selbstwertgefühl haben, strahlen diese Selbstzufriedenheit (auch mit ihrem Körper) aus. Sie können Misserfolge besser wegstecken und besitzen deshalb eine höhere Frustrationstoleranz. Somit fällt es ihnen leichter, eigene Anschauungen zu vertreten und klar zu kommunizieren. In der Folge können Konfliktsituationen schon im Vorfeld erkannt und vermieden werden.

5. Strategie zur Abwehr von sexueller und aggressiver Belästigung

Sexuelle Belästigungen oder Übergriffe können nicht nur in Form flüchtiger Berührungen, die als unangenehm empfunden werden, sondern auch auf verbalen Weg erfolgen. Viele Menschen wollen nicht als „prüde“ oder humorlos gelten und verzichten deshalb auf eine abwehrende Reaktion. Die Jugendlichen sollen lernen, für sie unangenehme Situationen zu benennen und ihr subjektives Empfinden zum Ausdruck bringen. Auch hier unterstützt sie ein selbstbewusstes Auftreten

6. Erkennen von manipulativer Kommunikation

Manipulative Kommunikation dient dazu, Beziehungen auf der Grundlage von Lockangeboten, Schmeicheleien und Lügen aufzubauen. Das geschieht zum Beispiel, um Kinder zum Mitfahren zu locken oder um Mädchen zu angeblichen Fototerminen für nicht existierende Modelagenturen einzuladen. Auch der sogenannte „Enkeltrick“ ist ein Beispiel für manipulative Kommunikation. Es ist eine besonders sensible Aufgabe, Kinder und Jugendliche, ohne sie zu verunsichern und zu verängstigen, an Kennzeichen des manipulierenden Verhaltens heranzuführen und den Umgang damit einzuüben.

Unterrichtliche Prinzipien

Der Unterricht geschieht in einer vertrauens- und verständnisvollen Atmosphäre, Indoktrination und Ideologisierung unterbleiben. Inklusive Situationen werden besonders berücksichtigt.

Ein Grundsatz ist, dass Nachfragen nach sexuellen Neigungen und der Zusammensetzung der Familie immer unterbleiben. Wahren Sie Ihre persönlichen Grenzen und die Ihrer Schülerinnen und Schüler und lassen Sie keinen Zwang zur Offenbarung zu.

Ein Screening der Klassensituation ist erforderlich unter folgenden Aspekten:
  • Konflikte und Beziehungen in der Klasse
  • aktuelle Modewörter wie z. B. „Das ist schwul“
  • aktuell umschwärmte oder gemiedene Personen in der Klasse
  • soziokultureller Hintergrund (Berücksichtigen Sie bei der Vorbereitung auch andere möglichen Sozialisationen, die teils sehr sexualfeindlich sein können. Es ist möglich, dass ein 14-jähriger Jugendlicher noch nie über Sexualität besprochen hat. Hier ist eine monoedukative Vorgehensweise zu erwägen.)
  • Inklusive Situationen
  • Altersverteilung (Hier orientieren Sie sich an der jüngsten Person.)
  • Räumliche Situation
Kontrollfaktoren für eine Atmosphäre, in der sich alle handelnden Personen wohlfühlen:
  • Stellen Sie den Schülern und Schülerinnen frei, ob sie sich aktiv am Unterricht beteiligen wollen oder nicht.
  • Holen Sie sich bei starren Protesthaltungen Unterstützung von Fachleuten. […]
  • Finden Sie heraus, auf welche Inhalte sich der Widerstand bezieht.
  • Versuchen Sie die eigenen und „fremden“ Standpunkte besser kennen zu lernen und zu verstehen.
  • Lassen Sie Unterschiede zu und unterstreichen Sie die Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten, z.B. menschliche Bedürfnisse und Erfahrungen wie Liebe, Anerkennung, Trost, Solidarität, Einsamkeit, Trauer oder Freude.
  • Achten Sie darauf, dass bei der Erarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden eine respektvolle Haltung gewahrt und Abwertung vermieden wird.
  • Kritisieren Sie jedoch Haltungen und Meinungen, die die Menschenrechte missachten (z.B. Recht auf freie Wahl des Ehepartners, Recht auf freie Selbstentfaltung). […]“ [Link]  (22.10.2017)

Bitte beachten Sie, dass in der Grundschule keine externen Partner in den Unterricht eingeladen werden dürfen.

Beziehungsformen und sexuelle Orientierung

Unterschiedliche Lebensweisen und die sexuelle Orientierung müssen im Zusammenhang mit Werteerziehung altersgemäß im Unterricht behandelt werden. Lehrkräfte begleiten die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit Empathie und verstehen die Komplexität der Prozesse der Identitätsfindung. Sie sind Vorbilder im demokratischen und wertschätzenden Umgang mit anderen. Es gilt Demütigung und Diskriminierung vorzubeugen. Dabei werden Gemeinsamkeiten von hetero-, homo- oder bisexuellen Menschen sichtbar. Kinder und Jugendliche werden dabei gefördert, anderen Menschen Achtung und Wertschätzung in einem Klima des sozialen und kooperativen Umgangs entgegenzubringen und die Perspektiven anderer Personen nachzuvollziehen. Im Fall von diskriminierenden Äußerungen oder Mobbing aufgrund der sexuellen Orientierung ist es notwendig, die Entstehungsbedingungen von Diskriminierung zu thematisieren. Dazu gehört auch, dass über unterschiedliche sexuelle Orientierungen gesprochen wird. Zahlreiche Kinder- und Jugendbücher greifen das Thema sexuelle Orientierung auf.

Geschlechterreflektiertes Unterrichten

Individuelle Förderung hat die bestmögliche Entfaltung der Stärken der Lernenden zum Ziel, jenseits von Rollenerwartungen. Geschlechterreflektiert arbeitende Lehrkräfte achten darauf, keine stereotypen Rollenerwartungen weiterzugeben, und eröffnen damit den Lernenden eine größere Bandbreite an Denk- und Verhaltensmöglichkeiten.

Wirkungsvolle Strategien sind entdramatisierende und nicht-dramatisierende Herangehensweisen. Durch die Entdramatisierung von Geschlechterthemen soll deutlich werden, dass neben dem Geschlecht und der sexuellen Identität andere wichtige, individuelle Unterschiede zwischen Menschen bestehen und diese innerhalb einer Geschlechtergruppe größer sein können als zwischen den Gruppen. Außerdem werden Gemeinsamkeiten zwischen Personen unterschiedlicher Geschlechter erfahrbar und andere soziale Unterschiede wie kultureller Hintergrund, Bildungsstand und sozioökonomischer Hintergrund sichtbar.

Die nicht-dramatisierende Strategie zielt darauf ab, persönliche Interessen zu erweitern, Erfahrungen zu ermöglichen, soziale und personale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit und Lesefähigkeit zu fördern, ohne das Thema Geschlecht oder sexuelle Identität in den Mittelpunkt zu rücken. Darüber hinaus wird ein diskriminierungsfreier Rahmen für individuelle Entwicklung geschaffen, indem Themen wie Berufswahl, Lebenswege, Beziehungen, Konflikte oder Zivilcourage untersucht werden. Geschlechterreflektiertes Arbeiten bedeutet auch in Fällen von Diskriminierung und Stereotypisierung zu intervenieren. Dabei wird aufgedeckt, welche Bedürfnisse dazu führen und wie diese alternativ z.B. durch Selbstwirksamkeitserfahrung oder der Bewusstwerdung von Zugehörigkeitsbedürfnissen erfüllt werden können.

Geschlechterreflektierter Unterricht wird außerdem realisiert durch entsprechende Schul- und Unterrichtskultur. Besonders methodische Vielfalt, ein Wechsel an kooperativen und kompetitiven Sozialformen und eine ausgewogene Balance von Leistungs-, Feedback- und Anerkennungskultur ermöglichen ein breites Spektrum an Lernmöglichkeiten und Erfahrungen.

Geschlechterrolle und Geschlechtsidentität

Die Geschlechtsidentität ist die individuelle Ausprägung und Gestaltung der eigenen Geschlechterrolle. Durch diese gesellschaftliche Konstruktion sind Geschlechterrollen veränderbar. Oft werden Menschen auf Grund von biologischen Geschlechterunterschieden und deren Zuschreibungen sozialisiert.

Um geschlechterreflektiert zu unterrichten, ist es hilfreich empirisch abgesichertes Wissen zum Thema zu berücksichtigen. Studien ergeben, dass die Unterschiede von psychologischen Merkmalen innerhalb der Geschlechtergruppen größer als zwischen den Geschlechtergruppen sind. Beispielsweise die Hirnforschung belegt, dass Kompetenzunterschiede zwischen Menschen nicht geschlechtsbedingt und unveränderbar sind. Strukturen und Funktionen des Gehirns, wie Sprachverständnis oder räumliche Fähigkeiten verändern sich über das ganze Leben.

Beauftragte für Familien- und Sexualerziehung

Sie/ Er ist erste/r Ansprechpartner(in) für die gesamte Schulfamilie bei Fragen zur Familien- und Sexualerziehung sowie Interventionsbeauftragter für Verdachtsfälle sexueller Gewalt.

Als Beauftragter pflegt sie/ er den Kontakt zu außerschulischen Ansprechpartnern, Experten und prüft alle Angebote externer Partner und stellt sicher, dass diese im Einklang mit den Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung stehen.

Sie/ Er unterstützt die Lehrkräfte bei der Umsetzung der Familien- und Sexualerziehung. Er  stimmt mit den Lehrkräften die Angebote zum Auf- und Ausbau personaler sowie sozialer Fähigkeiten und der Medienbildung ab, um die Schülerinnen und Schüler langfristig gegen sexuelle Gewalt zu stärken.

Darüber hinaus koordiniert sie/ er die Planung des Aktionstags für das Leben. Dieser soll nach Möglichkeit jährlich an den weiterführenden Schulen stattfinden.

Im Verdachtsfall von sexueller Gewalt kennt die/ der Interventionsbeauftragte(r) die zuständigen Stellen und alle wichtigen Ansprechpartner, damit Betroffene Unterstützung bekommen.

Problemfeld Sprache

Auf welche sprachlichen Merkmale müssen Sie bei der Vermittlung achten?

Die Sprache über Sexualität hängt oft von der gegebenen Situation ab. Eltern verwenden im Gespräch mit ihrem Kleinkind häufig verniedlichte Bezeichnungen für die Geschlechtsorgane. Jugendliche grenzen sich unter anderem mithilfe sprachlicher Ausdrücke von der Erwachsenenwelt ab und bedienen sich der Vulgärsprache. Zudem übt sexualisiertes Vokabular auf Jugendliche meist einen besonderen Reiz aus. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass sich die Schülerinnen und Schüler zu sexuellen Themen sprachlich angemessen äußern. Dies bedeutet auch, dass die verwendeten Lernmittel in einer wertneutralen, altersadäquaten und entwicklungsgemäßen Fachsprache verfasst sind.

Fächerbezug

In welchen Fächern werden die Humanbiologischen Sachverhalte überwiegend vermittelt?

Die Vermittlung der Humanbiologischen Sachverhalte übernehmen je nach Schulart und Alter der Schülerinnen und Schüler die Fächer Heimat- und Sachunterricht (HSU), Natur und Technik, Biologie und Physik/Chemie/Biologie (PCB) sowie Mensch und Umwelt (MU). In der Grundschule findet man den Gegenstandsbereich im Fach Heimat- und Sachuntericht „Körper und Gesundheit“. Der LehrplanPLUS fordert z.B., dass sich die Schülerinnen und Schüler der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Geschlechter bewusst werden sowie grundlegende Kenntnisse über die Pubertät und die Entstehung und Entwicklung menschlichen Lebens erlangen. Im Biologielehrplan der Realschule in Jahrgangsstufe 6 zu dem „Lernbereich 2: Fortpflanzung und Sexualität“ findet man in den Querverweisen auch den Bezug zu anderen Fächern.

Auszug LP Realschule, Biologie 6.  Stand: 19.06.2018

Unabhängig von der Schulart ist zwingend zu bedenken: Diese Vermittlung bedarf stets einer altersangemessen, entwicklungsgemäßen und wertneutralen Fachsprache, welche sich von der Alltags- und Wissenschaftssprache unterscheidet und unabhängig vom Unterrichtsfach ist.

Wo können Sie sich über die Inhalte informieren?

Die entsprechenden Themen finden sich in den Lehrplänen der jeweiligen Schularten. Unabhängig von der Schulart ist ihnen allen gemeinsam, dass sich die Inhalte am körperlichen und seelischen Reifungsprozess der Kinder und Jugendlichen orientieren. Daher werden besonders viele humanbiologische Themen in der Sekundarstufe I behandelt. Des Weiteren bietet der LehrplanPLUS im Servicebereich Materialien und weitere Erläuterungen an. Einen kleinen Ausschnitt davon finden Sie im Downloadbereich.

Sachlich begründetes Wissen

Was versteht man unter „sachlich begründetem Wissen“?

Um den Schülerinnen und Schülern ein Verständnis für die menschliche Sexualität zu ermöglichen, werden ihnen die notwendigen Begriffe sowie sachlichen Grundlagen altersangemessen vermittelt. Zu den sachlichen und begrifflichen Grundlagen der menschlichen Sexualität gehört, auf den Entwicklungstand der Schülerinnen und Schüler angepasstes, biomedizinisches Wissen. So werden z.B. die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Primarbereich auf andere Art und Weise als in der Sekundarstufe I und II vermittelt. Darüber hinaus soll ihnen bewusst werden, dass biologische Gegebenheiten beim geschlechtlichen Verhalten eine wichtige Rolle spielen. Weitere Erläuterungen und Beispiele dazu finden Sie weiter unten. Neben dem sexuellen Verhalten, Fortpflanzung des Menschen und das Empfinden der eigenen Geschlechtlichkeit wird auch die Verantwortung des Menschen für sich selbst und seinen Nächsten herausgestellt. Körperliches Lustempfinden ist ein Teil der menschlichen Sexualität. Sexualität beinhaltet folglich sowohl die physische, als auch die psychische Komponente.