Ziel des Themenfelds ist es, ein positives Verständnis des eigenen Körpers, der Persönlichkeit und der Sexualität zu entwickeln. Thematisiert werden die Auseinandersetzung mit der Geschlechtszugehörigkeit, die Begegnung mit dem anderen und eigenen Geschlecht sowie das Verhältnis der Geschlechter zu- und miteinander. Schülerinnen und Schüler betrachten verschiedene soziale Geschlechterrollen und die unterschiedlichen Möglichkeiten diese zu gestalten. Dabei setzen sich die Lernenden kritisch mit sexualisierten Rollenbildern und Körpervorstellungen in den Medien auseinander. Diese Auseinandersetzung stützt sich auf die drei Säulen Wertschätzung, Verantwortungsbewusstsein und Selbstbestimmung. Die Vermittlung der Inhalte zum Themenfeld „Geschlechterrolle und Geschlechtsidentität“ übernehmen unter anderem die Fächer Deutsch, Kunst, Musik, Religionslehre und Ethik.
Beziehungsformen und sexuelle Orientierung
Unterschiedliche Lebensweisen und die sexuelle Orientierung müssen im Zusammenhang mit Werteerziehung altersgemäß im Unterricht behandelt werden. Lehrkräfte begleiten die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit Empathie und verstehen die Komplexität der Prozesse der Identitätsfindung. Sie sind Vorbilder im demokratischen und wertschätzenden Umgang mit anderen. Es gilt Demütigung und Diskriminierung vorzubeugen. Dabei werden Gemeinsamkeiten von hetero-, homo- oder bisexuellen Menschen sichtbar. Kinder und Jugendliche werden dabei gefördert, anderen Menschen Achtung und Wertschätzung in einem Klima des sozialen und kooperativen Umgangs entgegenzubringen und die Perspektiven anderer Personen nachzuvollziehen. Im Fall von diskriminierenden Äußerungen oder Mobbing aufgrund der sexuellen Orientierung ist es notwendig, die Entstehungsbedingungen von Diskriminierung zu thematisieren. Dazu gehört auch, dass über unterschiedliche sexuelle Orientierungen gesprochen wird. Zahlreiche Kinder- und Jugendbücher greifen das Thema sexuelle Orientierung auf.
Geschlechterreflektiertes Unterrichten
Individuelle Förderung hat die bestmögliche Entfaltung der Stärken der Lernenden zum Ziel, jenseits von Rollenerwartungen. Geschlechterreflektiert arbeitende Lehrkräfte achten darauf, keine stereotypen Rollenerwartungen weiterzugeben, und eröffnen damit den Lernenden eine größere Bandbreite an Denk- und Verhaltensmöglichkeiten.
Wirkungsvolle Strategien sind entdramatisierende und nicht-dramatisierende Herangehensweisen. Durch die Entdramatisierung von Geschlechterthemen soll deutlich werden, dass neben dem Geschlecht und der sexuellen Identität andere wichtige, individuelle Unterschiede zwischen Menschen bestehen und diese innerhalb einer Geschlechtergruppe größer sein können als zwischen den Gruppen. Außerdem werden Gemeinsamkeiten zwischen Personen unterschiedlicher Geschlechter erfahrbar und andere soziale Unterschiede wie kultureller Hintergrund, Bildungsstand und sozioökonomischer Hintergrund sichtbar.
Die nicht-dramatisierende Strategie zielt darauf ab, persönliche Interessen zu erweitern, Erfahrungen zu ermöglichen, soziale und personale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit und Lesefähigkeit zu fördern, ohne das Thema Geschlecht oder sexuelle Identität in den Mittelpunkt zu rücken. Darüber hinaus wird ein diskriminierungsfreier Rahmen für individuelle Entwicklung geschaffen, indem Themen wie Berufswahl, Lebenswege, Beziehungen, Konflikte oder Zivilcourage untersucht werden. Geschlechterreflektiertes Arbeiten bedeutet auch in Fällen von Diskriminierung und Stereotypisierung zu intervenieren. Dabei wird aufgedeckt, welche Bedürfnisse dazu führen und wie diese alternativ z.B. durch Selbstwirksamkeitserfahrung oder der Bewusstwerdung von Zugehörigkeitsbedürfnissen erfüllt werden können.
Geschlechterreflektierter Unterricht wird außerdem realisiert durch entsprechende Schul- und Unterrichtskultur. Besonders methodische Vielfalt, ein Wechsel an kooperativen und kompetitiven Sozialformen und eine ausgewogene Balance von Leistungs-, Feedback- und Anerkennungskultur ermöglichen ein breites Spektrum an Lernmöglichkeiten und Erfahrungen.
Geschlechterrolle und Geschlechtsidentität
Die Geschlechtsidentität ist die individuelle Ausprägung und Gestaltung der eigenen Geschlechterrolle. Durch diese gesellschaftliche Konstruktion sind Geschlechterrollen veränderbar. Oft werden Menschen auf Grund von biologischen Geschlechterunterschieden und deren Zuschreibungen sozialisiert.
Um geschlechterreflektiert zu unterrichten, ist es hilfreich empirisch abgesichertes Wissen zum Thema zu berücksichtigen. Studien ergeben, dass die Unterschiede von psychologischen Merkmalen innerhalb der Geschlechtergruppen größer als zwischen den Geschlechtergruppen sind. Beispielsweise die Hirnforschung belegt, dass Kompetenzunterschiede zwischen Menschen nicht geschlechtsbedingt und unveränderbar sind. Strukturen und Funktionen des Gehirns, wie Sprachverständnis oder räumliche Fähigkeiten verändern sich über das ganze Leben.