Grundsätze

Sexualität gehört zum Menschen und sexuelle Identität ist ein Teil der Persönlichkeit. Das natürliche Erziehungsrecht der Eltern, das Erziehungsrecht des Staates und das Persönlichkeitsrecht der Schülerinnen und Schüler bilden das Dreieck einer vertrauensvollen Bildungs- und Erziehungspartnerschaft. Es ist das gemeinsame Ziel, den Heranwachsenden einen verantwortungsvollen Umgang mit sich selbst und seinen Mitmenschen zu vermitteln.

Warum Familien- und Sexualerziehung an Schulen?

Die Schule vermittelt ein Bild der Sexualität, das sich auf die Werte stützt, die in der Breite der Gesellschaft anerkannt und in der Verfassung festgeschrieben sind. Die Familien- und Sexualerziehung hat ihre Grundlage in einem Menschenbild, das durch das Christentum und die Aufklärung geprägt ist. Sie orientiert sich an den allgemeinen Bildungszielen und der Achtung vor der persönlichen Würde des Menschen, der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit, der besonderen Förderung von Ehe und Familie unter Einbeziehung von Lebenspartnerschaften sowie des Rechts auf Glaubens- und Gewissensfreiheit. Ziel ist es, den körperlichen, geistigen und seelischen Reifungsprozess zu begleiten.

Vgl. Art. 131 BayVerfArt. 1 und 2 BayEUG.

Was vermittelt Familien- und Sexualerziehung an Schulen?

Die Familien- und Sexualerziehung vermittelt wissenschaftlich gesicherte Informationen über den eigenen Körper und über menschliche Sexualität. Dabei achten die Lehrkräfte auf das Alter der Schüler und ihren Entwicklungsstand.  An der Vermittlung der Inhalte sind möglichst viele Fächer eingebunden. So werden biologische Sachverhalte vermittelt, aber auch ethische und soziale Gesichtspunkte beleuchtet.

Welche Ziele hat Familien- und Sexualerziehung an Schulen?

Familien- und Sexualerziehung an Schulen möchte die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, kognitive, soziale und kommunikative Fähigkeiten für ihren Umgang mit Sexualität, Partnerschaften und Familienleben zu entwickeln. Sie fördert Einstellungen, die zur Entwicklung eines wertschätzenden und verantwortungsbewussten Umgangs miteinander erforderlich sind. Weiterführende Schulen veranstalten nach Möglichkeit einen „Aktionstag für das Leben“.

Worauf wird bei der Familien- und Sexualerziehung an Schulen geachtet?

Die Eltern werden in die Familien- und Sexualerziehung einbezogen. In den Eingangsklassen finden dazu Elternabende statt. Der Unterricht geschieht in einer vertrauens- und verständnisvollen Atmosphäre, jegliche Beeinflussung unterbleibt. Verwendete Unterrichtsmedien werden von der verantwortlichen Lehrkraft gewissenhaft auf ihre Eignung geprüft und den Eltern vorgestellt. Inklusive Situationen berücksichtigen die Lehrkräfte besonders.

Basistext Prävention

Fokus der Prävention ist die Erziehung der Kinder und Jugendlichen zu seelisch gesunden und selbstbewussten Persönlichkeiten. Dazu gehört auch das konsequente reagieren auf alle Formen sexueller Gewalt. Thema werden auch Grenzüberschreitungen und der Umgang mit ihnen, sowie die Reaktionsmöglichkeiten darauf sein. Die besonderen Bedarfe der Risikogruppe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung werden dabei auch ins Auge gefasst. Rechtsgrundlagen, Gesprächsregeln bei Verdacht oder Offenbarung sowie die Anwendung eines Interventionsplans und Handlungsempfehlungen stehen im Portal zur Verfügung. Liegen Verdachtsfälle vor, sind diese der Schulleitung und der/dem Interventionsbeauftragten zu melden. Diesen alleine obliegen die weiteren Handlungsschritte. Da die/der Beauftragte für Familien- und Sexualerziehung zugleich Interventionsbeauftragte/r ist, muss sie/er sich durch die erfolgreiche Bearbeitung des Selbstlernkurses Sexuelle Gewalt – Prävention und Intervention in der Schule (Grundkurs) für diese Tätigkeit qualifiziert haben.

Das Portal „Sexuelle Gewalt“ bietet einen Überblick über die Formen sexueller Gewalt, aktuelle Missbrauchszahlen, Täter-Opfer-Dynamik sowie mögliche Symptome und Signale bei Kindern nach sexuellen Gewalterfahrungen.

Im Kapitel „Digitale Medien“ werden die Phänomene Cybergrooming, Sexting, Challenges, Pädokriminalität im Netz und mediale Ursachen sexueller Nötigung, der Entkoppelung von Liebe, Zärtlichkeit und Sexualität sowie problematische Männer- und Frauenbilder beleuchtet. Sie erhalten Empfehlungen und Materialien zu präventiver Medienarbeit unter anderem durch digitale Lernformen, Risikominimierung durch Früherkennung und Interventionsmöglichkeiten.

Basistext Soziale und personale Kompetenz

Ziel ist es, Kinder und Jugendliche systematisch dabei zu stärken, eigene Standpunkte zu vertreten, eine eigene Identität aufzubauen und sich in Belastungs- und Gefahrensituationen besser gegenüber anderen behaupten zu können.

Die Schülerinnen und Schüler halten sich an Verhaltensgrundregeln und Vorsichtsmaßnahmen in alltäglichen Situationen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem angemessenen Verhalten in Stress- und Konfliktsituationen. Dazu hilfreiche Angebote und Projekte sollten Lehrkräfte und Eltern gemeinsam abstimmen und mittragen. An weiterführenden Schulen ist das Schulforum in die Planungen einzubeziehen. Die Entwicklung sozialer und personaler Kompetenzen ist Aufgabe aller Fächer und geschieht im Miteinander des Schullebens.

Basistext Selbstkonzept und Gesellschaft

Menschliche Sexualität spiegelt sich in vielen Lebensbereichen wieder: Sie ist Energiequelle für Kunst, Musik, beeinflusst politisches Handeln, ist Forschungsgegenstand der Wissenschaft in verschiedenen Disziplinen und stellt heutzutage auch einen Wirtschaftsfaktor („Sex Sells“) dar. Alle diese Facetten sollten in der Sexualerziehung berücksichtigt werden.
Schülerinnen und Schüler sollen allmählich zu einem verantwortungs­vollen Umgang mit der eigenen Sexualität, der eigenen sexuellen Ausrichtung und der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit finden. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit Blick auf die eigene Geschlechtlichkeit und Sexualität mit wertebezogenen, sozialen, rechtlichen und staatlichen Ansprüchen der Gesellschaft auseinander. Sie lernen die Bedeutung der Familie als Gemeinschaft und Schutzraum für die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit wertschätzen.

*nach: Susanne Kristen, Die Entwicklung des Selbst, [Link] aufgerufen am 30.7.2017.

Basistext Geschlechterrolle und Geschlechterbild

Ziel des Themenfelds ist es, ein positives Verständnis des eigenen Körpers, der Persönlichkeit und der Sexualität zu entwickeln. Thematisiert werden die Auseinandersetzung mit der Geschlechtszugehörigkeit, die Begegnung mit dem anderen und eigenen Geschlecht sowie das Verhältnis der Geschlechter zu- und miteinander. Schülerinnen und Schüler betrachten verschiedene soziale Geschlechterrollen und die unterschiedlichen Möglichkeiten diese zu gestalten. Dabei setzen sich die Lernenden kritisch mit sexualisierten Rollenbildern und Körpervorstellungen in den Medien auseinander. Diese Auseinandersetzung stützt sich auf die drei Säulen Wertschätzung, Verantwortungsbewusstsein und Selbstbestimmung. Die Vermittlung der Inhalte zum Themenfeld „Geschlechterrolle und Geschlechtsidentität“ übernehmen unter anderem die Fächer Deutsch, Kunst, Musik, Religionslehre und Ethik.

Basistext Humanbiologie

Um den Schülerinnen und Schülern ein Verständnis für die menschliche Sexualität zu ermöglichen, werden ihnen die notwendigen Fachbegriffe sowie sachlichen Grundlagen altersangemessen vermittelt. Dabei soll ihnen bewusst werden, dass biologische Abläufe bei Sexualverhalten und Fortpflanzung des Menschen eine wichtige Rolle spielen, sowie das Empfinden der eigenen Geschlechtlichkeit, die Verantwortung des Menschen für sich selbst und seinen Nächsten herausgestellt werden. Gesundheitsförderung, wie zum Beispiel das Wissen um Hygiene und fachärztliche Ansprechpartner, gehört ebenso zu diesem Themenbereich wie Kenntnisse über sexuell übertragbare Krankheiten.

Screening der Klassensituation

Neben der klassischen Unterscheidung der Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf ihr Geschlecht muss beim Screening der Klassensituation auch ein Blick auf die Herkunftsgeschichte der Schülerinnen und Schüler geworfen werden.

Dies ermöglicht den Lehrkräften sich gezielt mit religiösen und ethnischen Vorstellungen auseinanderzusetzen. Des Weiteren gilt es auch, die sprachlichen Barrieren oder kulturellen Missverständnisse von Migrantenfamilien zu beachten.

Schülerinnen und Schüler aus Migrantenfamilien sind keine homogene Gruppe. Es zeigen sich Unterschiede in verschiedenen Bereichen wie z.B. dem Herkunftsland, den Sprachgebrauch, den kulturellen Eigenheiten, Integrationsbereitschaft, unterschiedliche Normen und Werte sowie religiöse und ethische Vorstellungen. Diese und viele andere Faktoren haben Einfluss auf die Erziehungsstile der Eltern und vorgelebte Geschlechterrollen und damit auch auf die individuelle Entwicklung der Kinder und die damit verbundenen internalisierten Skripte.

Dennoch besteht nach Westphal u.a. (2017) die Gefahr, dass Annahmen über Migrationsfamilien meist auf Zuschreibung und Etikettierung beruhen und selten wissenschaftlich und empirisch gut begründet sind.

Ungeachtet dessen, sollten Sie insbesondere bei der Umsetzung von Angeboten zur Prävention sexueller Gewalt darauf achten, dass bestimmte Inhalte auch kultursensibel vermittelt werden. Trotz des individuellen biografischen Hintergrunds bleiben allerdings die obersten Bildungsziele verbindlich: die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit.

Fachbezüge von Familien- und Sexualerziehung

Die Ziele der Familien- und Sexualerziehung werden im Rahmen mehrerer Fächer verwirklicht. Nicht alle Fächer tragen dabei in gleichem Maße zur Familien- und Sexualerziehung bei, aber alle Fächer können Inhalte der Familien- und Sexualerziehung aufgreifen. Die Vermittlung geschieht im Fachunterricht oder fachübergreifend – z.B. mittels Absprache oder Teamteaching. Die Entwicklung von sozialen und personalen Fähigkeiten geschieht im Miteinander des Schullebens und ist Aufgabe aller Fächer.

Im Zuge der Überarbeitung der Lehrpläne ist es zu Umbenennungen/ Umstrukturierungen einzelner Fächer in unterschiedlichen Schularten gekommen.

Kapitel in der Richtlinie / Thema Fachbezeichnung in der Richtlinie abweichende Fachbezeichnung im LehrplanPLUS
2.2

Humanbiologische
Sachverhalte

Heimat- und Sachunterricht
Natur und Technik
Biologie
Physik/Chemie/Biologie Natur und Technik
Mensch und Umwelt
2.3

Geschlechterrolle und
Geschlechtsidentität

gesellschaftswissenschaftliche Fächer
Deutsch
Kunst
Musik
Religionslehre
Ethik
2.4

Selbstkonzept und
Gesellschaft

musische Fächer
Religionslehre
Ethik
Deutsch
Heimat- und Sachunterricht (HSU)
Sozialkunde
Sozialwesen
Soziallehre
Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde Geschichte/ Politik/ Geographie
Wirtschaft und Recht
Arbeit-Wirtschaft-Technik Wirtschaft und Kommunikation
2.5

Entwicklung von sozialen und
personalen Kompetenzen

Aufgabe aller Fächer
4.2.3

Bedeutung der Medienumwelt

Deutsch
Kunst
Musik
Sozialkunde
Sozialwesen
Soziallehre
Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde Geschichte/ Politik/ Geographie
Natur und Technik
Informatik, Informationstechnologie
Wirtschaft

Über Familien- und Sexualerziehung – Interview mit Frau Prof. Dr. Karla Etschenberg


Frau Prof. Dr. Karla Etschenberg hat nach ihrer Ausbildung zur Diplom-Pädagogin und Lehrerin an Grund- und Hauptschule im Fach Biologie promoviert und sich in Didaktik der Biologie habilitiert. Nach einiger Zeit im Schuldienst war sie wissenschaftliche Assistentin an der Universität zu Köln, Referentin im Bundesministerium für Gesundheit und anschließend Professorin an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Kiel (1991) und schließlich an der Universität Flensburg.

Als Expertin unterstützt sie mit ihrem fachlichen Input die Online-Fortbildungen zum Thema „Familien- und Sexualerziehung“ der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen (ALP) in Zusammenarbeit mit dem Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München (ISB) und des Bayerischen Kultusministeriums: [Link zum Angebot]

Medienumwelt

Kinder und Jugendliche sind besonders empfänglich für Trends und Wertvorstellungen, die durch Medien verbreitet und verstärkt werden. Ob Fernsehen, Internet, Musik, Computerspiele u.a. überall scheint das Thema Sexualität präsent. Problematische und verstörende Inhalte verfremden oder leugnen oftmals den Zusammenhang von Achtung, Zärtlichkeit, Liebe und Sexualität und vermitteln ein bedenkliches Männer- und Frauenbild.

Im Rahmen der Medienbildung hinterfragen Schülerinnen und Schüler mediale Botschaften kritisch und gehen in der Folge selbstbestimmter mit Medien um. Um die eigenen Rechte und Pflichten im Umgang mit digitalen Medien besser wahren und wahrnehmen zu können, brauchen Schülerinnen und Schüler Kenntnisse zu Jugend- und Datenschutz sowie zum Urheberrecht. Sie sollen sich dadurch selbst besser schützen und anderen achtungsvoller und wertschätzender begegnen können.

Medienerziehung kann nur als gemeinsames Anliegen von Familie und Schule gelingen. Bei ungewolltem Kontakt mit problematischen und angstauslösenden Inhalten sollten sich die Kinder und Jugendlichen vertrauensvoll an Erziehungsberechtigte und Lehrkräfte wenden.